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DAV Panorama
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Alpine Perspektiven
Die zehnjährige Tochter eines Freundes sagte mir vor Kurzem: „Wandern werde ich nie mehr, das ist nutzlos und fad! Klettern aber will ich mein Leben lang, denn das ist aufregend und steckt voller Abenteuer“. Wow denkt man sich da, die weiß aber was sie will. Hört sich nach einem super Plan an! Vorausgesetzt man ist selbst dem Klettersport verfallen und kann den vertikalen Freuden etwas abgewinnen. Ist dem nicht so, wird es mit der elterlichen Reaktion auf solch einen Spruch schon deutlich kniffliger, denn wie soll man als unerfahrener Berggeher alpine Gefahren richtig einschätzen können? Klettern hört sich für den Großteil unserer Gesellschaft nach einem riskanten Unterfangen an und in der Tat schlummern hier, genauso wie bei vielen anderen Outdoor-Aktivitäten, Herausforderungen, denen man als Vorbild und Taktgeber gewachsen sein sollte. Möchte man die Sprösslinge also für die Natur und das Draußen sein im Gebirge begeistern, so ist ein solides Basis-Wissen in alpinem Risiko-Management sowie in der Tourenplanung eine Grundvorraussetzung.
Bleibt die spannende Frage, wie man als Familie im Gebirge eine gute Zeit verbringen kann? Wie geht man da am Besten vor? Es ist schwierig ein Pauschalrezept zu formulieren, aber immer wieder ist zu beobachten, dass ein bewusstes Anpassen der individuellen Begehrlichkeiten auf die Bedürfnisse seiner Begleiter/-innen einer von vielen Schlüsseln ist. Konkret sollte einem immer wieder durch den Kopf gehen: „Was möchte ich? Was möchten die anderen?“ Erwachsene hängen an ihrem grandios ausgetüftelten und vorbereiteten Plan. Sie wollen den Gipfel, die Hütte oder das Tagesziel erreichen und finden ständig anhalten und warten müssen mühsam. Kinder aber können damit oft nichts anfangen. Sie leben im Moment, sie sehen den rauschenden Bach und wollen dort ihren Staudamm bauen oder in Ruhe auf den lässigen Ahorn kraxeln. Auf langweiliges, monotones dahin Gelatsche haben sie keinen Bock! Was also tun? Wie so oft liegt die Kunst im Miteinander. Schafft man es als Leitwolf/-wölfin flexibel zu bleiben und die gemeinsame Freude am Sein als persönlichen Erfolgsquotienten zu definieren, ist schon mal viel gewonnen. Zudem ist ein wachsamer Blick für die unscheinbaren Dinge am Wegesrand Gold wert! Vom Erdbeer- bis zum Schwammerlhimmel, wenn sie infiziert sind dirigieren sogar die Allerkleinsten ihre Sherpas von den heiß begehrten Plätzen auf Rücken und Schultern mit leuchtenden Augen von einer zur nächsten Geschmacks-Oase. Wenn man dann auch noch in der Lage ist Traumwelten und Gedankenspiele zu erschaffen, die dem Weg seine Eintönigkeit nehmen und die Anstrengung der Bewegung in kunstvolle Inszenierungen verzaubern, so ist auf einmal der Weg das Ziel und die einzelnen Positionen aller Begleiter vermischen zu einem gemeinsamen Erleben. Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Phantasie als Motor einen spielerischen Zugang gewährt. Wenn Zwerge und Könige ihre Paläste gleich um die nächste Ecke errichten und Edelstein-Vorratskammern durch geheime Tunnelgänge zu erreichen sind, so verändert das die Perspektive. Natürlich gibt es hierfür Altersgrenzen und natürlich ist es Typsache wie sehr man sich von Erzählungen begeistern lässt, aber gerade in unserer heutigen, durch getakteten Welt finden sich immer seltener Gelegenheiten zur geistigen Entschleunigung. Das alpine Umfeld bietet diese Ruhe. Hier ist man entfernt vom Rausch der Zeit. Wer als Kind diese Welten eröffnet bekommt, der wird sie für immer in sich tragen. Die Schönheit und Vielfältigkeit der Natur wird im Gebirge besonders greifbar. Wenn sich Nadeln aus Fels in den Himmel strecken und glühende Sonnenuntergänge in Bergseen spiegeln, dann bietet das nicht nur Abwechslung vom Alltag, sondern vor allem Freiheit und Abenteuer. Als Erwachsene müssen wir es zulassen können, wenn unsere Sprösslinge sich diese Welten erobern. Immerhin haben wir sie ihnen gezeigt. Ängste sind, wie Anfangs erwähnt, ein wichtiges Indiz, um alpine Gefahren stets wachsam zu umschiffen, sie sollten aber niemals den Kindern ihren Weg in neue, bereichernde Erfahrungen verbauen. Die ausgewählten Ziele spielen dabei eine zentrale Rolle. Was kann man sich als Familie zutrauen und wovon lieber Abstand halten? Natürlich hängt das von allen Beteiligten und ihren individuellen Fähigkeiten ab. Diese objektiv und korrekt einschätzen zu können ist schwierig. Hier ist Erfahrung, eine gute Planung im Vorfeld und ein gutes Einschätzungsvermögen Trumpf. Gerade mit zunehmendem Alter sind fordernde Ziele ein Instrument um die Begeisterung für das Gebirge weiter zu fördern. Gemeinsam Orte zu erleben, die nicht wie selbstverständlich hinter der nächsten Bahnstation stehen, schweißt zusammen und bestärkt die familiären Bande durch eine kraftvolle und zugleich intime Komponente. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn alle gleichermaßen von einander profitieren, zusammen Abenteuer erleben und die gemeinsame Aktivität ein Miteinander ohne ununterbrochenes, mediales Störfeuer ermöglichen. Das sind Probleme der heutigen Zeit, aber adäquate Lösungen dafür parat zu haben, erscheint einem wichtiger denn je.
Für mich persönlich sind die Berge mein Leben. Ich verbringe sowohl beruflich als Bergführer, Fotograf und Kameramann, wie auch privat mit meiner Frau und unseren vier Kindern oder mit meinen Freunden einen Großteil meiner Zeit im Gebirge. Die alpine Natur gibt mir unglaublich viel Kraft und ich verspüre eine kindliche, nicht enden wollende Freude und Begeisterung, wenn ich mich in diesem Raum aufhalten darf. Für mich sind die Berge ein Ort von kreativer Entfaltung und sportlicher Herausforderung zugleich. Ich bin erfüllt von wahnsinniger Dankbarkeit, dass mir diese Welt durch meine Eltern und Großeltern eröffnet wurde. Sie haben es verstanden, meinen Brüdern und mir eine fruchtbare Basis zu schaffen und uns die nötige Freiheit und das Vertrauen gegeben, diese in unsere heutige Identität weiter zu entwickeln. Die Freude, die ich als Kind und Jugendlicher in den Bergen finden und erfahren durfte trägt mich bis heute und meine Frau und ich versuchen diese Schönheit mit Bedacht und Freiheit an unsere eigenen Kinder weiter zu geben. Bei einer sechs-köpfigen Familie ist es aber immer eine Herausforderung Ziele zu finden, die für alle Familienmitglieder gleichermaßen etwas zu bieten haben. Vergangenes Jahr führte uns unser Sommerurlaub beispielsweise in die Dauphiné. Die Region rund um Briançon ist längst kein Geheimtipp mehr, denn in grandioser Weise vermischt sich hier mediterranes Flair mit hochalpiner Eleganz. Wohin man schaut fließen rauschende Gebirgsbäche in die steilen Täler hinab. Schroffe Felsflanken lassen die Klettererherzen höher schlagen und die alpinen Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Für uns also ein ideales Basislager. Wir waren in den verschiedensten Konstellationen unterwegs, mal die Mama mit den sieben- und zwölfjährigen im Klettersteig, mal der Papa mit dem Ältesten in einer Mehrseillänge, auch eine elterliche Runde ohne Kids durfte nicht fehlen, immerhin sind wir ja auch im Urlaub. Und natürlich hatten wir auch alle gemeinsam eine gute Zeit bei herrlichen Wanderungen durch den sagenhaften Parc national des Écrins. Wichtigstes Credo der Kids war aber immer: „Um sieben Uhr Abends müssen wir zurück am Campingplatz sein!“ Denn ab dieser Urzeit durften die Lagerfeuer angezündet werden und wir Erwachsenen hatten dann nicht mehr viel zu melden.